Timo Handschuh: Magnificat, op. 35
J. S. Bach: Orgel-Fantasie G-Dur
BWV 572
W. A. Mozart: Exsultate, jubilate KV 165
Pauluskirche Ulm
Sonntag, 15. Mai 2022, 19.30 Uhr
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Einführung zur Komposition „Magnificat“ Op. 35 von Timo Handschuh
Seit je her ist der altehrwürdige Text des Magnificat von hoher
Bedeutung, wurde er in der Musikgeschichte doch unzählige Male vertont. Dabei
stoßen wir auf große Schöpfungen aus dem Barock (Monteverdi, Purcell, Bach), der
Klassik und frühen Romantik (Schubert, Mendelssohn, Bruckner und Gounod) bis in
unsere Zeit hinein (Penderecki, Pärt und Rutter). Was fasziniert an diesem Text,
der längsten im neuen Testament zitierten wörtlichen Rede Marias? Dieser
Lobgesang ist für mich kein öffentlicher, extrovertierter Jubel, sondern
vielmehr ein Gebet, eine innere Meditation Marias, die so vieles in ihrem Herzen
bewegt. Dieser Jubel ist nicht minder fröhlich, es schwingt Dankbarkeit mit,
Vertrauen und gleichermaßen Staunen über das ganze Mysterium, das an ihr
geschehen ist.
Als Reminiszenz an die historische Kirchensprache erklingt
nur der erste Vers „Magnificat anima mea Dominum“ in Latein, alle restlichen
Verse sind in Deutsch vertont. Für die große Ruhe und auch Bescheidenheit Marias
stehen viele Sätze des Werkes in „einfachen“ Tonarten, C-Dur, F-Dur, g-Moll oder
D-Dur. Komplexe Harmonik oder Rhythmik tritt zurück zugunsten einer Klarheit in
Form und Ausdruck. Die Chorsätze sind anfänglich tief gehalten, um dieses „warme
piano“ zu erzeugen, werden dann aber Stück für Stück nach oben steigen, jubeln
und brillieren. Niemals aber entsteht ein hellstes Strahlen, wie wir es vom
Barock her kennen: es sind eher die warmen, gedeckten Farben, ajoutéierte,
kolorierte Akkorde, die immerfort einen Wohlklang in einer Natürlichkeit der
Harmonik vermitteln wollen.
Der Solo-Sopran der Maria (wie wunderbar,
dass sie hier bei der Uraufführung auch tatsächlich Maria heißt!) komplettiert
die Chorsätze, antwortet oder liegt mit einer Überstimme noch darüber. Bevor
sich das Werk mit der Musik des Anfangs wieder schließt, kommt es für mich zum
„heiligsten“ Moment aller überlieferten Verse: „das er unsern Vätern verheißen
hat / Abraham und seinen Nachkommen auf ewig“ spricht uns direkt an: wir, alle
Nachkommen sind jetzt gemeint. In einer völligen Reduziertheit, wieder in
schlichtem a-Moll (das zu C-Dur gehört und also keine natürlichen Vorzeichen
hat), singt Maria diesen Doppelvers, nur begleitet von der Harfe und liegenden
Streicherakkorden im pianissimo. Man hört jede Silbe, jeden Laut, spürt den Atem
Marias. Eben weil es mir so wertvoll ist, erscheint es hier nicht in opulentem,
vielstimmigen Gewand, sondern genau im Gegenteil: schlicht und meditativ
schreitend.
Lautmalerisch sind nur Kleinigkeiten zu erwähnen, das „Ewig“
hier tatsächlich auf dem Ton E und sechs Takte lang ausgehalten, die Chordamen
beim Wort („und erhöht die...) Niedrigen“ sehr tief, bei „erhöht“ natürlich
genau das Gegenteil. Der zu vertonende Text, im besonderen die kürzeren Verse
davon, bekommt durch eine extrem gesangliche Melodieführung tiefen Gehalt, die
verschiedensten Themen und Motive sind über das ganze Werk immer wieder
verteilt, werden verarbeitet oder leuchten in der Erinnerung auf. Somit entsteht
ein geschlossenes Ganzes, tonale farbige Musik, die den Text wieder beleben, uns
neu vor Augen und Ohren bringen möchte. Möge Sie meine Musik und dieser
bedeutende Text berühren!