W. A. Mozart: Ave verum
J. Haydn: Stabat Mater
Pauluskirche Ulm
Sonntag, 20. März 2016, 18.00 Uhr

 

 

Das Leiden einer Mutter

Ulmer Kantorei stimmt mit Haydns "Stabat Mater" auf die Karwoche ein

Neu-Ulmer Zeitung vom 22.03.2016 (köd)

„Stabat Mater“ ist ein von etwa 600 Tonkünstlern in Musik umgesetztes lateinisches mittelalterliches Gedicht, das in der evangelischen Kirche fester Bestandteil der Karwoche ist und häufig am Karfreitag aufgeführt wird. In Ulm kann der Konzertgänger in der diesjährigen Karwoche „Stabat Mater“ gleich zwei Mal in der Pauluskirche hören: Eine glanzvolle Aufführung der Haydn-Vertonung ist bereits am Sonntagabend Albrecht Haupt mit seiner Ulmer Kantorei und dem Orchester Camerata Ulm gelungen; am Karfreitag selbst ist an gleicher Stelle dann Dvoráks Version mit dem Motettenchor der Münsterkantorei und dem Ulmer Philharmonischen Orchester zu hören.

Nach der sehr einfühlsam interpretierten kurzen und beliebten Mozart-Motette „Ave Verum“ stimmte Joseph Haydns 1767 komponiertes „Stabat mater“, das zu den bedeutendsten der zahlreichen Vertonungen des im Mittelalter hoch geschätzten Gedichts um das Leiden Mariens unter dem Kreuz ihres Sohnes gehört, auf die Passion der Karwoche ein. Haydn selbst hatte dieses Werk als das beste seines musikalischen Schaffens bezeichnet.

Wohl auch weil das Konzert aufgezeichnet wurde, hätte man in der Pauluskirche während der Aufführung im Zuschauerraum eine Nadel fallen hören; so konzentriert-still war die Atmosphäre. Kirchenmusikdirektor Albrecht Haupt führte die Ulmer Kantorei und das Orchester mit fester Hand und differenziert durch das Werk. Unter den Solisten brillierten die strahlende Catherina Witting (Sopran) und Stephan Frieß (Tenor) mit feinem Einsatz. Dramatisch gestaltete Mezzosopran Kinga Dobay, die dem örtlichen Publikum besonders aus der Bizet-Oper „Carmen“ am Theater Ulm in Erinnerung ist, die Alt-Soli. Marcell Bakonyi überzeugte stimmlich, bisweilen agierte das Orchester bei seinen Soli allerdings etwas laut, sodass es für den 35-jährigen Ungarn nicht leicht war, mit seinem Bass bis zu den hinteren Sitzreihen durchzudringen.

Mit viel Applaus bedachte das Publikum die Sänger und Musiker sowie Albrecht Haupt nach der gelungenen Aufführung.

 

Haydns "Stabat Mater" in der Pauluskirche

Ein berührendes Konzert: Kirchenmusikdirektor Albrecht Haupt musizierte Haydns "Stabat Mater" mit der Ulmer Kantorei und der Camerata Ulm.

Südwestpresse vom 22.03.2016, von Sibylle Schäfer

Ein berührendes Konzert: Kirchenmusikdirektor Albrecht Haupt musizierte Haydns "Stabat Mater" mit der Ulmer Kantorei und der Camerata Ulm.

"Unterm Kreuz mit dir zu stehen, dort zu teilen deine Wehen, ist es, was mein Herz begehrt." Diesen Worten aus der mittelalterlichen Sequenz "Stabat Mater" folgten am Sonntag zur Eröffnung der Karwoche die Besucher der Pauluskirche, um den Klängen von Haydns Stabat-Mater-Vertonung zu lauschen. Sie sahen sich nicht nur dem überlebensgroßen Wandgemälde von Christus am Kreuz gegenüber, sondern waren in dem Gotteshaus auch Zeuge eines Konzerts von bemerkenswerter Ausdruckstiefe.

In Stücken wie "O quam tristis" (Nr. 2), "Vidit suum" (Nr. 6) oder "Fac me vere" (Nr. 9) war diese Intensität besonders spürbar. Das erstaunt nicht, da die Aufführungen unter dem Dirigat von Kirchenmusikdirektor Albrecht Haupt seit jeher für ein ausgeprägtes musikalisches Verständnis bürgen. Auch dieses Mal formte der hochbetagte Maestro alle Musizierenden mit Besonnenheit und sichtlicher Freude zu einem großen Ganzen und erwies sich, wie schon so oft, als idealer Begleiter durch eines der expressivsten Werke der Frühklassik.

Die Ulmer Kantorei beeindruckte mit einem wohl austarierten Wechsel von getragenen Passagen und ausdifferenzierter Klangfülle. Auch das Orchester, das sich aus der Camerata Ulm und dem Süddeutschen Bläserensemble zusammensetzte, vermochte starke Akzente zu setzen. Ergänzt wurde dies von den solistischen Glanzlichtern, die Catherina Witting (Sopran), Kinga Dobay (Alt), Stephan Frieß (Tenor) und Marcell Bakonyi (Bass) zu setzen wussten. Gerade die beiden in hohem Maße dramatisch geprägten Bass-Arien "Pro peccatis" (Nr. 5) und "Flammis orci" (Nr. 11) kontrastierten innerhalb der Komposition und ihren überwiegend ruhigeren Tempi.

Mit Haydns genialem Frühwerk brachten die Akteure einen Text zum Klingen, den der Komponist in beeindruckender Deutung und Verbildlichung umgesetzt hat. Die Aufforderung zum Mitleiden mit Maria ging unter die Haut. Gelungen war auch der Auftakt des Abends mit der Darbietung von Mozarts Motette "Ave Verum", die mit ihrer Eindringlichkeit dem großen Haydn-Werk den Weg ebnete. Der verdient langanhaltende Applaus für Albrecht Haupt und seine Mitstreiter krönte am Schluss dieses intensive musikalische Passionserlebnis.

 

 

Die Ulmer Kantorei beginnt ihr Palmsonntagskonzert zur musikalischen Eröffnung der Passionswoche mit dem bekannten „Ave verum“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791).

Diese in ihrer Kürze doch so ausdrucksstarke Motette für Chor und Streichorchester ist neben dem unvollendeten „Requiem“ seine letzte Sakralkomposition, entstanden im Juni des Todesjahres 1791. Der Text aus dem 14. Jahrhundert zu Fronleichnam und zur Kommunion passt auch in die Passionszeit und zeigt Mozarts Verbundenheit mit der katholischen Liturgie – war doch sein letzter Zukunftswunsch, Kirchenmusiker am Wiener Stephansdom zu sein.

Der Text des „Stabat Mater“ von Joseph Haydn (1732 - 1809) gehört zu den bedeutendsten mittelalterlichen Kirchendichtungen und stammt aus dem 13. Jh. Dargestellt ist die unter dem Kreuz trauernde Maria, verbunden mit der immer wieder neu formulierten Aufforderung an die Gläubigen, sich ihren Klagen anzuschließen und sie mitzuempfinden. Viele Komponisten ließen sich davon faszinieren und zu oratorischer Gestaltung anregen. Genannt seien nur die berühmten Werke von Pergolesi, Schubert, Rossini, Dvořák und in neuem Stil Penderecki. Haydns groß angelegte Komposition stammt aus dem Jahr 1767 und hat damals wesentlich zur Verbreitung seines Ruhms über die Grenzen Österreichs hinaus beigetragen.

Getragene Melodien wechseln mit bewegten Koloraturstücken und dramatischen Partien ab, die vor allem im Orchester durch überraschende Akzente aufhorchen lassen. Haydn hat das „Stabat Mater“ als seine beste Komposition bezeichnet.

A. Haupt