Christoph Willibald Gluck
Orpheus und Euridice
Pauluskirche Ulm
Sonntag, 2. August 2015, 19.00 Uhr

 

 

Die Sommerlichen Ulmer Musiktage präsentieren die Macht der Musik

Das war ein fulminanter Schlusspunkt der Sommerlichen Ulmer Musiktage: In der Pauluskirche wurde Glucks Oper "Orpheus und Euridice" aufgeführt - konzertant und vom Uni-Ballett getanzt.

Südwestpresse vom 04.08.2015, von Sibylle Schäfer

"Bist du's Orpheus? Ist's Täuschung? Ist's Wahrheit? Wie, ich lebe?" Mit solch aufrichtigem Erstaunen reagiert Euridice, als sie Orpheus erblickt, der sie durch seine Klage und Musik wieder zum Leben erweckt hat. Es ist der berühmte, bis in die Antike zurückgehende Tragödienstoff, der die Grundlage für Christoph Willibald Glucks anrührende Ballettoper "Orpheus und Euridice" bildet, die zum Abschluss der 33. Sommerlichen Ulmer Musiktage in der Ulmer Pauluskirche zur Aufführung kam.

Dabei stand der gelbe Sonnenblumenstrauß, den Dirigent Albrecht Haupt unter dem Jubel des Publikums am Ende in Empfang nahm, geradezu sinnbildlich für die enorme Strahlkraft der Darbietung. Gemeinsam mit der Ulmer Kantorei, der Camerata Ulm und dem Uni-Ballett, hatte Haupt eine sommerlich-frische und doch bis ins Detail ausgereifte Ballettoper in das Gotteshaus gezaubert.

Die etwas gekürzte und konzertante Version überzeugte von den ersten Takten an durch atmosphärische Dichte und eine geglückte Verwobenheit von Musik und Tanz. Mal grazil-zerbrechlich, mal rasend-furios, unterstrichen die Tänzerinnen die Klangeindrücke und den Handlungsverlauf meisterhaft in ihren zehn getanzten Sätzen. Auch das Zusammenspiel der Ulmer Kantorei mit der Camerata Ulm brachte gekonnt Stimmungen und Gefühle zum Ausdruck: wunderbar träumerisch-sehnsuchtsvoll der bekannte Satz "Der Reigen seliger Geister". Die solistischen Parts hatten der Berliner Countertenor Georg Bochow (Orpheus) sowie die Sopranistinnen Catherina Witting (Euridice) und Sabine Wick (Amor) übernommen. Mit klarer Intonation und Stimmkraft gelang es Bochow, den Vorgaben der Gluck'schen Reformoper gerecht zu werden und deren direkter Natürlichkeit und Wahrheit gewandt zu folgen. Auch Catherina Witting und Sabine Wick erweckten Euridice und Amor kongenial zum Leben.

Es ist dem Zeitalter der Aufklärung zu verdanken, dass das Drama von Orpheus und Euridice am Sonntagabend in der Pauluskirche ein glückliches Ende nahm. Da der tragische Ausgang damals unerträglich schien, besitzt in Glucks Fassung der Liebesgott Amor die Macht, das Schicksal zu einem guten Ende zu bringen, damit Orpheus und Euridice doch noch gemeinsam ins Leben zurückfinden können. So erlebten die Zuschauer am Sonntagabend quasi ein doppeltes "Happy End": einen rundum gelungenen Opernabend mit frohgemuten Protagonisten.

 

 

Happy End in der Pauluskirche

Umjubelte Aufführung von „Orfeo ed Euridice“ zum Abschluss der Musiktage

Neu-Ulmer Zeitung vom 04.08.2015, von Dagmar Hub

Stehende Ovationen und ein jubelnder Albrecht Haupt: Am letzten Abend der 33. Sommerlichen Ulmer Musiktage führte Haupts Ulmer Kantorei gemeinsam mit dem Uni-Ballett und dem Orchester Camerata Ulm in der Pauluskirche in die Barockzeit, in jene Zeit, als Christoph Willibald Gluck mit „Orfeo ed Euridice“ in den frühen 60er Jahren des 18. Jahrhunderts, die bis dahin existierende Aufführungspraxis von Opern, reformierte.

Emotion und dramatische Wahrhaftigkeit statt bis dato aufgeführtem mechanischen Ablauf von Arien und Rezitativen. Haupt leitete eine etwas gekürzte, konzertante Aufführung der Pariser Fassung der Gluck-Oper, die aus dem Jahr 1764 stammt und für die der Komponist nach dem Geschmack des französischen Publikums Ballett-Einlagen schuf.

Auch wenn die frühesten Nachweise der Erzählung des liebenden Sängers Orpheus und seiner betrauerten Frau Eurydike weit in die vorchristliche Zeit zurückreichen und tragisch enden: Gluck verwendete für seine Oper ein Libretto, in dem der Liebesgott das Schicksal des Paares zum Guten wendet und Orpheus seine geliebte Frau aus der Unterwelt zu den Lebenden zurückführen darf. Vom Publikum euphorisch beklatscht wurde die Interpretation, die Countertenor Georg Bochow „seinem“ Orpheus gab – Bochow agierte nicht nur emotional überzeugend, sondern begeisterte durch seine großartig tragende, farbenreiche Stimme. Ihm ebenbürtig präsentierte sich Catherina Witting (Sopran) als aus der Welt der Toten ans Licht und in die Liebe wiederkehrende Ehefrau. Sabine Wick gefiel als Liebesgott. Unter der Leitung von UMD Albrecht Haupt gaben die Sängerinnen und Sänger der Ulmer Kantorei und das Orchester Camerata Ulm mit dem Cembalisten Conrad Schütze der Musik Glucks Raum.

Reizvoll und elfengleich in roséfarbenen Kleidern tanzte das Ensemble des Uniballetts zehn Tanzsätze der Opernfassung, choreografiert von Kay Astrid Weithöner, die die Uni-Compagnie 1999 gründete. Herausragende Tänzerin des Uniballetts ist Viktoria Idt, deren Unterricht an der St. Petersburger Ballettschule ihr eine beeindruckende Eleganz gibt. (köd)

 

 

Christoph Willibald Gluck (1714-1787)

Orpheus und Euridice

Einführung zum Werk

Die bekannte und berührende antike Tragödie über das Schicksal des liebenden Paares Orpheus und Euridice ist schon in Aufzeichnungen im 5. vorchristlichen Jahrhundert nachzuweisen.

Die mythologische Figur des Musikers Orpheus, der mit seinem Gesang und Saitenspiel Menschen und Tiere bezaubern konnte, steht als Symbol für die Macht der Musik, ähnlich wie die alttestamentliche Miriam, die mit Gesang und Zimbelspiel das Volk Israel durchs Rote Meer führte. Orpheus gelingt mit seiner Klage und Musik das Unmögliche. Um seine tote Frau Euridice aus der Unterwelt in das Leben zurückzuholen, bezwingt er die Furien, die den Eingang zum Hades bewachen, und darf sie unter der Bedingung, sie erst wieder beim Erreichen der Erde anzuschauen, heimführen. Doch die Gattin glaubt, seine Liebe sei erloschen, und bringt ihn dazu, sich umzudrehen. Augenblicklich wird sie vom Götterboten Hermes zurückgeholt und ist dem ewigen Tode verfallen. 1607 hat Monteverdi diesen Stoff erstmals als Oper gestaltet. Erst wieder 1762 (Uraufführung im Wiener Burgtheater) gestalten Gluck und sein Textdichter Calzabigi eine Oper über das Thema. Doch in der Zeit der Aufklärung schien das tragische Ende unerträglich und nicht mit dem Ideal eines menschlichen Ethos vereinbar. So wird der Gott Amor eingeführt, der mit der Macht der Liebe das Schicksal wenden kann. Schon scheint alles verloren, da greift er in letzter Minute ein. Eine überwältigende Liebe rettet das Paar, und sie kehren glücklich in das Leben zurück.

In unserer etwas gekürzten und konzertanten Aufführung am 2. August spielen wir die Pariser Fassung von 1764, in der der Komponist einige Sätze neu verfasst oder verbessert hat. Die reichlich darin enthaltenen Tanzsätze, von denen zehn vom Uniballett getanzt werden, haben die Aufgabe, das Geschehen zu kommentieren oder Haltepunkte zu setzen.

Unsere Oper gehört in die Reihe der sogenannten Reformopern, eines Typus, den Gluck und Calzabigi zusammen entwickelt haben mit dem Ziel, den dramatischen Inhalt unmittelbar darzustellen und nicht, wie hauptsächlich in der italienischen Oper gebräuchlich, die Solisten mit virtuosen Koloraturen und anderen, vom Text ablenkenden Bravoureinlagen in den Mittelpunkt zu stellen. Natürlichkeit, Wahrheit, Einfachheit war die Devise von Gluck.

A. Haupt