W. A. Mozart
Requiem
Klosterkirche Oberelchingen
Sonntag, 18. November 2018, 18.00 Uhr

 


© Südwestpresse Ulm, Volkmar Könneke

 

Die Aufführung der Superlative

Südwestpresse vom 20.11.2018 von Burhhard Schäfer

Als dem sterbenskranken Anton Bruckner klar wurde, dass er den Finalsatz der Neunten Sinfonie nicht werde vollenden können, soll er, so ist es überliefert, den Wunsch geäußert haben, man möge stattdessen das „Te Deum“ spielen. Ob auch Mozart ahnte, dass er der Nachwelt seine von Graf Walsegg-Stuppach in Auftrag gegebene Totenmesse als Fragment hinterlassen würde, ist nicht bekannt, ebensowenig, wie er darüber gedacht hätte, den Torso des Requiems mit der Motette „Ave verum Corpus“ KV 618 zu beschließen. Es darf aber vermutet werden: Hätte er die Aufführung mit der Ulmer Kantorei und dem Philharmonischen Kammerorchester Ulm am Sonntag in der Klosterkirche Oberelchingen miterlebt – bei der Ulrike Blessing die Ensembles erstmals öffentlich leitete –, er wäre ebenso begeistert gewesen wie die Zuhörer, die sich in der restlos ausverkauften Kirche eng an eng drängten.

Die Musiker hatten sich erlaubt, eben jenes „Ave verum Corpus“, „eines seiner herrlichsten Werke“ (Wolfgang Hildesheimer), an den Schluss zu stellen (das Wort „Zugabe“ verbietet sich in diesem Zusammenhang). Wobei auch das nicht ganz korrekt ist. Denn das allerletzte „Wort“ vor dem begeisterten Schluss­applaus hatten die Glocken der Klosterkirche, die nach genau einer Stunde mit ihrem vollen Geläut die zwei Spätwerke des „vielleicht größten Genies der bekannten Menschheitsgeschichte“ (Hildesheimer) in die Stille hinein verklingen ließen.

Ja, es war eine Aufführung der Superlative, die da in der Basilika über die Sakral-Bühne ging, denn auch im Altarbereich saßen und vor allem standen die Kantorei-Mitglieder so eng neben- und hintereinander gestaffelt, wie man es sonst nur selten zu sehen bekommt. Nicht weniger als 130 Sänger hatten sich dort versammelt. „Beim ersten Probe-Dirigat zum Requiem waren es noch zirka 70“, hatte Blesssing vor dem Konzert gesagt, „und ich dachte, dass viele davon aufhören, wenn Herr Haupt die Leitung abgibt.“

Dann aber sei etwas ganz anderes passiert: „Zunächst sind die Sänger zurückgekommen, die pausiert hatten. Da waren wir schon 80. Dann hat der Chor publik gemacht, dass ich die neue Leiterin werde und dass, wer möchte, dazukommen könne.“ Daraufhin hätten sich 50 neue Sänger angemeldet. „Und da habe ich dann schon kurz geschluckt, aber weil ich niemanden abhalten wollte, hat das Ganze jetzt so Karajan-Dimensionen angenommen“, sagt Blessing und lacht.

Dass sie den Chor so „gedrillt“ hat, dass er „keine träge Masse“ ist, glaubt man der mit großer Mehrheit gewählten Chordirektorin nach den immer wieder tief unter die Haut gehenden Zeilen „Requiem aeternam dona eis, Domine“ aufs Wort. Der Eindruck, es hier bei aller Massigkeit mit einer gleichwohl transparenten, durchhörbaren und hoch kantablen Aufführung von großer emotionaler Wucht zu tun zu haben, hielt sich bis zum Schluss.

Fazit: Ulrike Blessing hat ihre Feuertaufe mit einer der zugleich populärsten und rätselhaftesten Totenmessen der Musikgeschichte buchstäblich bravourös bestanden. Ein ganz großer Gewinn für Ulm!

Hervorragende Solisten
Nicht nur die Ulmer Kantorei und das Philharmonische Kammerorchester Ulm überzeugten bei der Aufführung, auch die Gesangssolisten agierten überragend intensiv: Maria Rosendorfsky (Sopran), I Chiao Shih (Mezzosopran), Markus Francke (Tenor) und Michael Burow-Geier (Bass).

 


© Neu-Ulmer Zeitung, Felix Oechsler

 

Großer Auftakt beim Neubeginn der Ulmer Kantorei

Neu-Ulmer Zeitung vom 20.11.2018 von Dagmar Hub

Die Ulmer Kantorei wird jetzt von Ulrike Blessing dirigiert. Ihr und dem Chor gelingt bei ihrem ersten Konzert in der Elchinger Klosterkirche Großartiges.

Mit Spannung war das erste Konzert der Ulmer Kantorei nach ihrem Dirigentenwechsel erwartet worden: Im Mai hatte die Mitglieder des renommierten Chores Ulrike Blessing zur neuen Dirigentin gewählt, nachdem Albrecht Haupt seine Leitung nach fast 60 Jahren abgegeben hatte.

Die Oberelchinger Klosterkirche erwies sich als deutlich zu klein für den Ansturm des Publikums, zu schmal aber auch im Chorraum für die Platzierung des über 120 Sänger zählenden Chores, und wohl auch nicht groß genug für das Volumen und den Schalldruck, den der Chor zu erzeugen imstande ist. Doch trotz dieser Probleme gelang der Ulmer Kantorei unter Ulrike Blessing, begleitet ohne jede Überlagerung vom Philharmonischen Kammerorchester Ulm, ein großer Auftakt nach der Neuorientierung, bejubelt vom Publikum.

Ulmer Kantorei tritt im Kloster Oberelchingen auf

Ulrike Blessing hatte sich für ihren Start ein häufig aufgeführtes Werk Wolfgang Amadeus Mozarts ausgewählt, sein mythenumwittertes „Requiem“ – eine kluge Entscheidung, fand die Aufführung doch am Abend des Volkstrauertages statt, an dem der Kriegstoten und der Opfer der Gewaltbereitschaft aller Nationen gedacht wird. Die Totenmesse, über deren unvollendeter Komposition Mozart 1791 erkrankte und starb, bewegt sich emotional zwischen ihrer ernsten Grundstimmung, düsteren und feierlichen Momenten und der kraftvollen Dynamik des „Dies irae“.

Der Chor der Ulmer Kantorei, unprätentiös und hoch konzentriert geleitet von Ulrike Blessing, präsentierte sich in Oberelchingen temporeicher, wenngleich ihm weitere Männerstimmen gut täten. Als kluger Griff erwies sich die Entscheidung, als Solisten durchgehend Sängerinnen und Sänger des Opernensembles beziehungsweise – im Fall des auch mit Solopartien vertrauten Basses Michael Burow-Geier – des Opernchores des Theaters Ulm zu wählen.

Solisten zeigen perfekte Abstimmung

Vor allem in den Solisten-Quartetten zeigte sich die perfekte Abstimmung aufeinander, wenngleich Tenor Markus Francke erst seit dem Beginn dieser Spielzeit am Theater Ulm ist, während ihm Maria Rosendorfsky (Sopran), I-Chiao Shih (Alt) und Michael Burow-Geier schon seit Jahren angehören. Stimmlich dominierten I-Chiao Shih und Maria Rosendorfsky.

Die Platzierung der Solisten inmitten des Chores und damit hinter dem Orchester war wohl der räumlichen Enge geschuldet. Doch der Gesamteindruck, der daraus entstand, war äußerst homogen. Dem Chor gelang vor allem das Agnus Dei großartig.

Nach dem Verklingen der letzten Töne des Lux aeterna schloss Ulrike Blessing die Aufführung von Mozarts kurzer Motette „Ave verum corpus“ an, die er kurz vor seinem Tod – zeitgleich mit dem Requiem – komponiert hatte; gedämpft und sehr ernsthaft erklang sie, übergehend in das Geläut der Kirchenglocken der Oberelchinger Klosterkirche. Starker Beifall und „Bravo“-Rufe folgten.

 

 

W.A. Mozart: Requiem d-moll, KV 626

Sein letztes Werk, das Requiem d-moll, KV 626, hat Wolfgang Amadeus Mozart (27. Januar 1756 - 5. Dezember 1791) unvollendet hinterlassen. Die romantische Legende, die sich um die Entstehung dieses Werkes rankt, trug wohl auch zu dessen Popularität bei: Ein geheimnisvoller Fremder habe den Auftrag für die Komposition erteilt – Mozart soll darin eine mysteriöse Botschaft aus dem Jenseits erkannt haben und den Auftrag, seine eigene Totenmesse zu schreiben.

Während der Arbeit am Requiem schuf Mozart außerdem das Klarinettenkonzert, die Zauberflöte und die Oper Titus. Wenige Stunden vor seinem Tod soll er noch mit Freunden Passagen des Requiems geprobt haben. Es zählt in Europa zu den meistaufgeführten Werken Mozarts und war und ist vielen Komponisten wegweisend. Etwa zwei Drittel stammen aus seiner Feder, darunter der vom Meister vollständig ausgeschriebene Introitus.

Von anderen Messeteilen gab es Skizzen oder teilweise nur die Chor-und Solostimmen, die Mozarts Schüler und Assistent Franz Xaver Süßmayr im Auftrag der Witwe Constanze Mozart ausarbeitete. Damit sicherte Constanze der Familie den zweiten Teil des Honorars von Graf Walsegg-Stuppach, der die Komposition als Totenmesse für seine verstorbene Frau in Auftrag gegeben und geplant hatte, das Requiem als sein Werk auszugeben.