Ulrike Blessing ab 2018
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Die Mitgliederversammlung der Ulmer Kantorei hat am 03.05.2018 Frau Ulrike Blessing zur neuen Dirigentin gewählt. Von den zur Wahl stehenden vier Kandidatinnen und Kandidaten erreichte sie im dritten Wahlgang mit 71 von 88 Stimmen die satzungsgemäß erforderliche 3/4-Mehrheit.




Sie legt Wert auf einen guten Umgang

Die Leiterin der Ulmer Kantorei hofft auf neue Stimmen für ihr Ensemble

Augsburger Allgemeine vom 09.05.2018 von Dagmar Hub

Ulrike Blessing freut sich auf ihre neue Aufgabe: Vor wenigen Tagen wurde die 50-jährige Chordirektorin, Stimmbildnerin und Musikschullehrerin aus Langenau, mit großer Mehrheit zur Leiterin der Ulmer Kantorei gewählt. Sie ist damit die Nachfolgerin von Albrecht Haupt. Der hatte sich Ende März nach fast 60 Jahren von der Leitung des Ensembles verabschiedet. Die erste Chorprobe unter ihrer Leitung findet Mitte Juni statt. Bis dahin stehen eine ganze Reihe von Gesprächen an. „Ich kenne den Chor ja noch kaum“, sagt sie. Die angenehme Atmosphäre der Probedirigate und das große musikalische Interesse der Sängerinnen und Sänger habe sie aber vollkommen von der Kantorei überzeugt. Das sei ausschlaggebend für ihre Bewerbung gewesen. „Ich glaube, das wird richtig gut.“

Der Chor habe bei den Probedirigaten auffällig schnell umgesetzt, was sie sich vorgestellt hatte. „Die Sänger sind unheimlich begierig auszuprobieren, sehr interessiert, und sie saugen auf wie ein Schwamm. Das war sehr spannend.“ Es habe sie berührt, erzählt die Mutter von drei musikalischen Söhnen, wie sehr die Chormitglieder wollen, dass es für die Ulmer Kantorei nach dem Abschied von Albrecht Haupt eine hoffentlich gute Zukunft gibt.

Welches Werk sie als erstes aufführt, kann Ulrike Blessing noch nicht sagen. „Ich will mit Fingerspitzengefühl und Diplomatie herangehen“, betont sie. „Ich lege sehr viel Wert auf einen guten Umgang miteinander. Wer mit Laien musiziert, muss ihnen den Mut geben können, über sich hinauszuwachsen. Wenn man Laien einschüchtert, verspielt man viel. Sie trauen sich nicht mehr das zu, was sie eigentlich können.“

Ulrike Blessing hat Meisterkurse für Frühbarock und Alte Musik besucht. „Meiner eigenen Stimme kommt Alte Musik sehr entgegen.“ Sie greift aber auch gerne Stücke aktueller Komponisten auf. „Wenn man für eine Uraufführung ein Werk mit dem Komponisten erarbeiten kann, ist das eine tolle Arbeit.“ Jede Komposition aber habe ihre eigene Sprache und Botschaft, die herauszuarbeiten sie immer wieder begeistere. Freude habe sie auch an der Entdeckung selten aufgeführter Stücke. „Aber es gibt natürlich auch Werke, die zu Recht in der Schublade verschwanden.“

Ulm hat ein umfangreiches Konzertangebot: „Die Leute gehen dorthin, wo sie wissen, dass sie Qualität erleben werden.“ Das Erfolgsrezept für die Zukunft heiße deshalb Qualität, sagt Ulrike Blessing, die seit 1988 auch den katholischen Kirchenchor Unterelchingen leitet. Dank ihrer Erfahrung und ihrer vielen Kontakte werde sie für Aufführungen der Ulmer Kantorei jeweils die geeigneten Solisten und Orchester anfragen. Und Ulrike Blessing hofft auf Konzertbesucher, die den Wunsch verspüren, in ihrem Ensemble mitsingen zu wollen. Denn dem Chor fehlen vor allem Männerstimmen. „Man muss es schaffen, dass Männer sich trauen, sich auszuprobieren.“


Foto: Dagmar Hub
Albrecht Haupt 1959 - 2018


Albrecht Haupt hört auf

Der 88jährige leitet am Palmsonntag letztmals ein Konzert der Ulmer Kantorei, die er 1959 gegründet hat. Der passionierte Musiker hat aber schon Pläne für die Zeit danach.

Augsburger Allgemeine vom 27.01.2018 von Dagmar Hub

Das sagte er seinem Chor, der Ulmer Kantorei, in einer Probenpause am Donnerstagabend: Alle Konzentration soll sich auf die Aufgabe der Aufführung der selten zu hörenden Lukas-Passion in der Pauluskirche richten. Das Werk, das wohl von Johann Sebastian Bach und seinem Sohn Philipp Emanuel aus einem Frühwerk des Vaters geschaffen wurde, wird Inhalt des Konzerts sein. Viele Zuhörer wird dann aber etwas anderes bewegen: Es wird das letzte Konzert, bei dem Albrecht Haupt die Ulmer Kantorei dirigiert, nach der Passion gibt er die Leitung ab. Sein anderes Ensemble, den Universitätschor Ulm, hat der inzwischen 88-Jährige schon 2017 in die Hände seines Sohnes Manuel gegeben. Ein Mann, der das kulturelle Leben in Ulm wie wenige andere geprägt hat, nimmt Abschied vom Dirigentenpult.

Die Musik, das ist die Leidenschaft Haupts, ganz besonders die Suche nach musikalischen Schätzen, die weniger bekannt sind, es aber wert sind, aufgeführt zu werden. Seine musikalische Laufbahn dürfte eine der umfangreichsten der Republik sein: Vor 60 Jahren – 1957/58 – nahm der in Bonn geborene und in Jena und Würzburg aufgewachsene junge Kirchenmusiker aus Esslingen kommend die Stelle des Kantors an der Martin-Luther-Kirche an. 1959 formte er aus deren Jugendkantorei die Ulmer Kantorei; 1995, beim altersbedingten Ausscheiden als Kantor der Martin-Luther-Kirche, gingen die Sängerinnen und Sänger mit ihm. Die Ulmer Kantorei organisierte sich im selben Jahr als Verein. Ein paar Sänger der Anfangszeit sind heute noch in der Kantorei aktiv. Die Pauluskirche wurde neue musikalische Heimat – zumal sie nicht nur eine tolle Akustik hat: Pauluskirchen-Architekt Theodor Fischer war ein Großonkel seiner Mutter, verrät Haupt.

Bei seiner Ankündigung, die Leitung der Kantorei abzugeben, seien manchen Sängern Tränen gekommen, berichtet Haupt, seit 2010 Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Er könne das gut verstehen: Auch er selbst gesteht, dass er an die Vorstellung seines letzten Konzerts mit seinem Chor gar nicht denken darf. „Es fällt schwer. Was man selbst gegründet und großgezogen hat, das ist wie ein eigenes Kind.“ Und keinesfalls dürfe der Eindruck entstehen, dass ihm die Kantorei nicht mehr wichtig sei. „Man wächst in der Arbeit an großen musikalischen Werken sehr zusammen“, sagt der 88-Jährige, der in Thalfingen wohnt. Er sehe aber die Zeit gekommen, die Leitung der Kantorei an einen Nachfolger zu übergeben. Im Chor werden nun Mitglieder für eine Findungskommission gesucht.

Haupt, dem als Bezirkskantor 1969 der Titel eines Kirchenmusikdirektors verliehen wurde, hat alle großen Oratorien aufgeführt. Manche mehrfach wie die Johannes-Passion Bachs, die dem Kirchenmusiker aufgrund ihrer Dramatik und der inhaltlichen wie musikalischen Konzentration unter den großen Passionen am nahesten ist. Doch besonders wichtig ist ihm die Beschäftigung mit weniger bekannten musikalischen Schätzen – mit Werken des tschechischen Komponisten Leos Janacek zum Beispiel, für die er viel Gespür hat. „Man hat da nicht den riesigen Zulauf an Publikum, wie man ihn für die großen Oratorien selbstverständlich bekommt“, sagt Haupt. „Aber es war immer mein Interesse, schöne Werke aufzuführen, die gemacht zu werden lohnen.“ Dazu gehört es, den Zuhörern Neues zu erschließen und bislang unbekannte Hörerlebnisse zu ermöglichen: Auf der langen Liste der Aufführungen mit der Ulmer Kantorei stehen Werke wie Heinrich Schütz’ Matthäus-Passion, Henry Purcells „Dido und Aeneas“, Georg Friedrich Händels „Belsazar“ und Giacomo Carissimis „Historia di Jephte“. Aufführungen von Werken von Igor Strawinsky, Anton Bruckner, Hector Berlioz, Arthur Honegger und Diether Noll, dessen Martin-Luther-King-Oratorium „Go down Moses“ 2003 in Ulm ein großer Erfolg war, stehen für die Vielfalt der Haupt’schen Interessen – vom Barock bis zur Gegenwart.

Dass das Lukas-Oratorium selten aufgeführt wird, dass aber über kaum ein Werk der Musikgeschichte so viel und kontrovers geschrieben wurde wie über das am Palmsonntag zu hörende Werk, reizt Haupt besonders – auch als Werk für seinen Abschluss als Dirigent der Ulmer Kantorei. Seine Forschungen zum handschriftlichen „J.J.“ auf dem Manuskript lassen ihn sicher sein: Die Buchstaben bedeuten „Jesu juva“. „Diese Bitte um göttlichen Beistand schrieb Johann Sebastian Bach nur auf Werke aus seiner eigenen Hand.“

Wie es nach dem Palmsonntag weitergehen wird? Die Musik wird sein Leben bleiben, ohne sie kann er nicht sein, sagt der Vollblutmusiker. Haupt wird sich stärker dem Orgelspiel zuwenden. Schließlich kam das Instrument in seinem Schaffen zuletzt ein wenig zu kurz. Besonders gern will er auf der Orgel der Thalfinger Thomaskirche spielen. Der eigene Flügel zu Hause wird ihm Ort der Musik bleiben. Und vielleicht – aber das stehe in den Sternen, sagt Haupt – wird er dem Wunsch von Sängerinnen und Sängern aus der Kantorei nachgeben und ein kleines Ensemble leiten, das unbedingt mit ihm weitermachen möchte.

Die Ulmer Kantorei führt die Lukas-Passion am 25. März um 18 Uhr in der Pauluskirche auf.


Foto: Dagmar Hub
     
Albrecht Haupt

ist ein Vollblutmusiker. Aufgewachsen in Jena, studierte er zunächst in seiner Heimatstadt, danach an der Universität Leipzig Musikwissenschaft und Kunstgeschichte, später Orgel und Dirigat an der Leipziger Musikhochschule. In Stuttgart, Esslingen und Tübingen setzte er seine Studien fort. Er wurde 1958 Bezirkskantor an der Martin-Luther-Kirche in Ulm. Seit 1959 leitet er die Ulmer Kantorei. Albrecht Haupt wurde 1969 zum Kirchenmusikdirektor (KMD) ernannt. 1976 gründete er den Ulmer Universitätschor. 1991 verlieh ihm die Universität Ulm den Titel Universitätsmusikdirektor (UMD). Am 17.09.2010 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

 

 

Geburtstagskonzert: Mit 85 dirigiert Albrecht Haupt die Ulmer Kantorei

Er ist eine Institution im Ulmer Musikleben: Albrecht Haupt dirigiert die Ulmer Kantorei und den Universitätschor - auch mit bald 85 Jahren. Und er sagt: "Es gibt noch so viele unbekannte Musik zu entdecken!"

Südwestpresse Jürgen Kanold 05.12.2014

Herr Haupt, andere Menschen feiern Geburtstag mit Kaffee und Kuchen, Sie dirigieren am Sonntag ein Konzert . . .
ALBRECHT HAUPT: Das hat sich so ergeben, das war der einzige freie Termin in der Pauluskirche für die Ulmer Kantorei in der Vorweihnachtszeit. Aber warum nicht? Das ist ein schönes Geschenk, das man sich selber macht.

Weshalb haben Sie dieses Programm ausgewählt?
HAUPT: Das Magnificat von Bach ist ein großartiges Werk, das ich vor zehn Jahren letztmals dirigierte, höchste Zeit, es wieder aufzuführen. Das, was Bach in anderen Oratorien in mehreren Stunden ausbreitet, ist im Magnificat in nur 30 Minuten drin: ein unglaublich konzentriertes Stück Musik.

Was ist das für ein biblischer Lobgesang der Maria?
HAUPT: Dietrich Bonhoeffer schrieb über dieses älteste adventliche Lied, dass nicht die sanfte, zärtliche, verträumte Maria dargestellt werde, sondern es sei "die leidenschaftliche, hingerissene, stolze, begeisterte" Maria, die da spreche. Bonhoeffers Sätze haben mir großen Eindruck gemacht. Und wie dann bei Bach der Eingangschor gleich losschmettert!

Zuvor erklingt im Konzert der Ulmer Kantorei das Werk eines Bach-Sohnes: "Die Kindheit Jesu". Was hat Johann Christoph Friedrich vom Vater gelernt?
HAUPT: Das ist ein schönes, eher liebliches Chorwerk, aber sehr gekonnt ausgeführt. Johann Christoph Friedrich Bach gilt vor allem in der Kammermusik als ein Wegbereiter der Klassik. Man merkt, dass die Söhne Bachs durch eine strenge Schule gegangen sind, aber etwas anderes machen wollten. Johann Christian Bach etwa sagte: "Ich wusste, dass ich nie meinen Vater erreichen kann, deshalb habe ich einen neuen Stil angefangen."

Vater und Söhne Bach - da denkt man dann auch an Vater und Sohn Haupt . . .
HAUPT: (lacht) Die Frage musste kommen . . .

Werden Sie oft gefragt, ob Ihr Sohn Manuel in die Fußstapfen des Vaters treten wolle?
HAUPT: Ja, manche Leute sagen: Sie haben sich ja einen guten Nachfolger herangezogen.

Was hat denn nun Vater Haupt dem Sohn mit auf den Weg gegeben?
HAUPT: Nichts Spezielles, Manuel hat von klein auf im Chor mitgesungen, er hat die Musik erlebt. Er ist ein sehr guter Dirigent geworden, doch er hat einen anderen Stil. Der Kammerchor, den er an der Universität gründete, entwickelt sich prächtig. Ich nehme alle Leute in meine Chöre auf, die gerne singen, und versuche, daraus eine typische Klangfarbe zu bilden. Er lässt vorsingen, die Sänger müssen üben. Ich bin da breiter aufgestellt.

Auch mit bald 85 Jahren leiten Sie neben der Ulmer Kantorei noch den Universitätschor mit rund 100 Sängerinnen und Sängern. Ist das Dirigieren so etwas wie ein Lebenselixier?
HAUPT: Wahrscheinlich. So lange so viele Menschen mit mir musizieren möchten, muss ich das tun. Und es gibt ja noch so viele interessante Werke zu entdecken! Ich bin ungebrochen neugierig.

Was haben Sie für Pläne, was möchten Sie noch gerne dirigieren?
HAUPT: Dekanatskantor Andreas Weil und ich sind beide große Reger-Fans - und 2016 ist das Reger-Jahr mit dem 100. Todestag des Komponisten. Wir Kirchenmusiker sprechen viel darüber, was wir machen könnten. Der "100. Psalm" wäre natürlich ein absoluter Höhepunkt, aber das Werk ist sauschwer, bedarf eines Riesenorchesters, und das ist teuer. Paul Hindemith hat zwar eine ausgedünnte Orchesterfassung vorgelegt, aber auch für den Chor wäre das eine enorme Aufgabe. Ganz toll wären auch die "Faust"-Szenen von Robert Schumann, die werden fast nie aufgeführt. Aber solche Projekte sind jedesmal eine Herausforderung, und das geht schon damit los, ob ich zum Beispiel sechs oder nur fünf 1. Violinen im Orchester finanzieren kann.

Was antwortet ein Musiker mit Ihrer Lebenserfahrung auf die Frage, ob früher alles besser gewesen sei?
HAUPT: Darüber denke ich oft nach, ich glaube, die Konzertbesucher sind heute auf wenige Werke fixiert. Aber es gibt ja so interessante Musik! Ich lehne es ab, immer die gleichen Werke zu dirigieren, versuche, immer wieder etwas Unbekanntes zu bringen - was die Zuhörer dann doch begeistert. So war etwa Arthur Honeggers Oratorium "König David" ein großer Erfolg. Was ist eigentlich moderne Musik? "König David" wurde 1923 uraufgeführt!

Nur sechs Jahre vor Ihrer Geburt.
HAUPT: Ich lasse bei solcher Musik nicht locker, weil ich weiß: Sie gefällt den Zuhörern - wenn sie denn ins Konzert kommen.


Foto: Oliver Schulz

 


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